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Jochen Stopperam

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Das Wahre
Das Gute
Das Schöne

 

Erkenntnistradition betreffend “Das Wahre oder der Weltgeist oder das Weltbewußtsein”

 

Biblische Schöpfungsgeschichte Gotthold Ephraim Lessing  
Baghavadgita Johann Wolfgang Goethe  
Prometheus-Sage Georg Wilhelm Friedrich Hegel  
Konfuzius Georg Christoph Lichtenberg Bertolt Brecht
Aristoteles Arthur Schopenhauer Karl Popper
Apostel Paulus Heinrich Heine Heinrich Böll
Evangelien und Apostelgeschichte Philipp Spitta Jürgen Habermaas
Mohammed im Koran Karl Marx und Friedrich Engels Ken Wilber
Ibn Rushd Wladimir Iljitsch Lenin Redewendung
Martin Luther Albert Schweitzer Meine Schlußbemerkung
Giordano Bruno Rabindranath Tagore  
Benedict Spinoza Carl Gustav Jung  
Friedrich II. von Preußen Albert Einstein  
Immanuel Kant Pawel Florenski  

 

1. Buch Mose

(13.Jahrhundert vor Chr.)

Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.



Bhagavad-Gita ( seit ? mündlich, seit 350 v.Chr. schriftlich im Mahabharata )

Vers 6.45

...erreicht er nach vielen, vielen Geburten der Vorbereitung die Vollkommenheit...


Vers 13.17

Obwohl die Weltseele unter alle Wesen aufgeteilt zu sein scheint, ist sie niemals geteilt. Sie ist in ihrer Existenz eins.


 

Griechische Mythologie ( seit ? mündlich )


Prometheus erschuf das Menschengeschlecht: Aus einem Erdenkloß formte er die Gestalt des Menschen nach dem Ebenbild der Götter. Pallas Athene, die Göttin der Weisheit, blies dem Gebilde göttlichen Odem ein.

 

Konfuzius ( 551 bis 479 vor Chr. )

In  "Gespräche"

Tradition ist nicht Bewahren der Asche, sondern Weitertragen der Glut.


 

Aristoteles ( 384 - 322 v.Chr. )

In „Von der Seele”


...sind die Seele und der Leib miteinander das Lebewesen.


Darum ist auch die Annahme jener die richtige, die behaupten, die Seele könne weder ohne den Leib noch selbst ein Leib sein. Sie ist nicht ein Leib, aber etwas am Leibe, und darum ist sie auch in einem Leibe, und zwar in einem Leibe von bestimmter Beschaffenheit.

 

 

Apostel Paulus ( ? bis 62 )

Im 1. Brief an die Korinther

Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?

Wisset ihr nicht, daß eure Leiber die Glieder des Leibes Christi sind?

Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist?

Ihr aber seid der Leib Christi und ein jeglicher ein Glied nach seinem Anteil.

....

 

Evangelium des Matthäus ( etwa 150 n. Chr. )

Kap. 5, V. 48

Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Kap. 7, V. 16-20

Ich aber sage Euch: ...  An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest man vielleicht jemals Trauben von Dornsträuchern oder Feigen von Disteln? Ebenso bringt jeder gute Baum vortreffliche Frucht hervor, aber jeder faule Baum bringt wertlose Frucht hervor; ein guter Baum kann nicht wertlose Frucht tragen, noch kann ein fauler Baum vortreffliche Frucht hervorbringen. Ihr werdet also die Menschen wirklich an ihren Früchten erkennen.

 

Evangelium des Johannes ( etwa 150 )

Kap. 1, V. 14.

Und der Geist ward Fleisch und wohnte in uns.

Kap. 3, V. 5

Jesus antwortete:

Was vom Fleische geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geiste geboren wird, das ist Geist.

Laß dich's nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden.

 

Apostelgeschichte ( etwa 150 bis 200 )

Kap. 2, V. 4

Und sie wurden alle voll des heiligen Geistes und fingen an zu predigen mit anderen Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen.

 

 

Mohammed ( 570 bis 632 )

Im Koran

40. Sure

Er ist von erhabenem Rang und sendet den Geist aus seinem Logos auf wen er will...

32. Sure

Er ist der Mächtige und Barmherzige, der alle Dinge gut erschaffen hat und der des Menschen Schöpfung aus Ton hervorgebracht. Alsdann formte er ihn und blies in ihn von seinem Geiste und gab euch Gehör, Gesicht und Herzen.

16. Sure

Er sendet die Engel mit dem Geist aus seinem Logos herab auf wen er will...

15. Sure

Und der Herr sprach zu den Engeln: "Siehe ich erschaffe einen Menschen aus Lehm und Schlamm und wenn ich ihn gebildet und ihm von meinem Geiste eingehaucht habe, so fallet vor ihm nieder."

 

Ibn Ruschd (auch genannt Averroes)  (  1126  bis  1198  )


In "Die Widerlegung des Gazali"

S. 33  Der eine Mensch ist vom anderen Menschen individuell verschieden, hat aber der Seele nach Gemeinsames mit ihm (eine Spezies). Es ist also notwendig, zu behaupten, die Seelen der Beiden enthalten eine gemeinsame Seele. Dieser kommt die Zerteilung in Individua nur auf Grund der verschiedenen Körper zu.

S. 220  Daraus kann man einen Beweis dafür führen, daß ein einheitliches Wissen existiert, das viele Erkenntnisse, ja sogar unbegrenzt viele, erfaßt, ohne dadurch seine Einheit einzubüßen.

S. 272  Das Erkennen ist etwas, was zwischen einem Aktiven und einem Passiven stattfindet, dem Erkennenden und dem Erkannten. Die Sinne können nun aber nicht aktiv und passiv gleichzeitig sein. Kein Mensch kann sich also vollständig selbst erkennen, denn sein Selbst ist etwas anderes, als das, mittels dessen er denkt.

Die Sinne nehmen mit dem vierzigsten Lebensjahr ab, die Erkenntnis jedoch nimmt zu. Sie ist also unkörperlich.

S. 273/274  Der Geist erfaßt einen Gedanken. Dabei ist dieser Gedanke nicht nach Ort und Körper individuell teilbar. Er verschwindet nicht, wenn eines der Individua vergeht. Aus diesem Grund sind die Wissenschaften weder dem Entstehen noch Vergehen unterworfen, es sei denn, sie sind durch einen einzelnen Gelehrten verwirklicht. Dann sind sie mit diesem Gelehrten vergänglich, aber nicht universal. 

Ebenso ist der gemeinsame Geist, die gemeinsame Seele ... ( wie eben die Wissenschaft) unvergänglich und unteilbar.

S. 279/280  Die Philosophie erstrebt die Kenntnis des Glücks nur für einige Menschen (die Elite), während die Religionen die Unterweisung (und dadurch das Glück) aller Menschen im Auge haben. Da nun aber die Existenz und das Glück der Elite nur in Gemeinschaft mit der Menge erreicht wird, ist die für die Ungebildeten bestimmte Unterweisung auch notwendig für die Existenz und das Leben der Elite.

Gelangt der Mensch in den Kreis der Gebildeten, muß er doch auch die Religion seiner Zeit für sich erwählen. Aus diesem Grund wurden die Gelehrten, die in Alexandrien das Volk unterrichteten, zu Muslimen, als die Religion des Islam zu ihnen gelangte; und die Gelehrten in Byzanz und Rom wurden zu Christen, als die Religion Christi dort die bekannteste wurde.

S. 305/306  Die Seele ist eine Eigenschaft des lebendigen Körpers, wird also von diesem individualisiert. Ohne den Leib ist sie nicht individuell, sondern eine einzige gemeinsame für alle Menschen. In dem Leib hat sie also ihre Möglichkeiten, wie alle übrigen Eigenschaften des Leibes. ... Nur im Körper ist die individuelle Existenz der Seele möglich. Ohne Körper ist sie eine allgemeine Eigenschaft möglicher Individua.

 

Martin Luther ( 1483 bis 1546 )

Im kleinen Katechismus

Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiliget und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält im rechten, einigen Glauben.


 

Giordano Bruno ( 1548 bis 1600 )

In “Dialoge über die Ursache, das Prinzip und das Eine”

...Daraus wird gefolgert, daß ein unendlicher Geist auf verschiedene Art und Weise das Weltall erfüllt und umfaßt.


...da dieser Geist immerfort mit der Materie zusammen ist,...es unmöglich ist, daß irgendein Ding in irgendeiner Hinsicht der Substanz nach vergeht oder umkommt.

..., daß die Seele im Körper ist wie im Schiff der Steuermann: Insofern der Steuermann zusammen mit dem Schiff bewegt wird, ist er dessen Teil; insofern er aber als derjenige betrachtet wird, der das Schiff steuert und bewegt, versteht man ihn nicht als dessen Teil, sondern als davon unterschiedenes Bewirkendes.

So auch ist die Weltseele, insoweit sie beseelt und gestaltet, innerer und formaler Teil des Universums; insofern sie dieses aber lenkt und regiert, ist sie nicht dessen Teil, und ihr Sinn erfüllt sich nicht als Prinzip, sondern als Ursache.

 

Benedictus de Spinoza ( 1632 bis 1677 )

In „Die Ethik”

 ...ist der Mensch...nur Ursache der Existenz, nicht aber des Wesens eines anderen Menschen...


 


Friedrich II. von Preußen  ( 1712 - 1786 )

"Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie ausüben, ehrliche Leute sind; und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen." - auf die Anfrage des Direktoriums, ob ein Katholik Bürger einer preußischen Stadt werden dürfe

"Die Religionen müssen alle toleriert werden und der Fiskus muss nur das Auge darauf haben, dass keine der anderen Abbruch tue, denn hier muss ein jeder nach seiner Façon selig werden." - auf die Frage, ob die katholischen Schulen in Preußen abzuschaffen seien;

 

"Es heißt, dass wir Menschen Gottes Ebenbilder auf Erden sind. Ich habe mich daraufhin im Spiegel betrachtet. Sehr schmeichelhaft für den lieben Gott ist das nicht."

 

Immanuel Kant ( 1724 - 1804 )

In “Kritik der reinen Vernunft”

...drei dialektische Fragen, welche das eigentliche Ziel der rationalen Psychologie ausmachen: nämlich

1) von der Möglichkeit der Gemeinschaft der Seele mit einem organischen Körper...

2) vom Anfange dieser Gemeinschaft, d.i. der Seele in und vor der Geburt...

3) dem Ende dieser Gemeinschaft, d.i. der Seele im und nach dem Tode...

 

In “Was ist Aufklärung ?"

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

 

Gotthold Ephraim Lessing  ( 1729  bis  !781 )
 

In "Nathan der Weise"

Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten, der einen Ring von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß. 

Der Stein war ein Opal, der hundert schöne Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, vor Gott und Menschen angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug. 

Was Wunder, dass ihn der Mann in Osten darum nie Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, auf ewig ihn bei seinem Hause zu erhalten?

Nämlich so. Er ließ den Ring von seinen Söhnen dem geliebtesten; Und setzte fest, dass dieser wiederum den Ring von seinen Söhnen dem vermache, Der ihm der liebste sei;

und stets der liebste, ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde.

So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, auf einen Vater endlich von drei Söhnen; die alle drei ihm gleich gehorsam waren,

Die alle drei er folglich gleich zu lieben sich nicht entbrechen konnte.- Was zu tun?

Er sendet in geheim zu einem Künstler, bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, zwei andere bestellt, 

und weder Kosten noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, vollkommen gleich zu machen. Das gelingt dem Künstler. 

Da er ihm die Ringe bringt, kann selbst der Vater seinen Musterring nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft er seine Söhne, jeden insbesondere;

Gibt jedem insbesondere seinen Segen, - Und seinen Ring, - und stirbt.

Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder mit seinem Ring, und jeder will der Fürst des Hauses sein. 

Man untersucht, man zankt, man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht erweislich; - 

Wie gesagt: die Söhne verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, unmittelbar aus seines Vaters Hand den Ring zu haben. - Wie auch wahr! -

Der Richter sprach: Ich höre ja, der rechte Ring besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; vor Gott und Menschen angenehm. 

Das muss entscheiden! Denn die falschen Ringe werden doch das nicht können und also, fuhr der Richter fort: Wohlan!

Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach! 

Es strebe von euch jeder um die Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag Zu legen! 

komme dieser Kraft mit Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, mit innigster Ergebenheit in Gott zu Hilf!

Georg Christoph Lichtenberg ( 1742 bis 1799 )

In „Aphorismen“

Den Geist des Jahrhunderts zu schildern, kann man nicht die Geister der hundert einzelnen Jahre zusammenflicken ...

Man untersuche einmal, wo die Menschen, die sich durch ihren Verstand gehoben haben, ihren Verstand herhaben. Sie holen ihn in den Affären selbst, da, wo die Begebenheiten sind, und nicht da, wo sie erzählt werden.


In jedes Menschen Charakter sitzt etwas, das sich nicht brechen läßt: das Knochengebäude des Charakters ...


 

Johann Wolfgang Goethe ( 1749 bis 1832 )


In „Maximen und Reflexionen“

Es ist nicht genug zu wissen, man muß auch anwenden;

es ist nicht genug zu wollen, man muß auch tun.


1818 zu Kanzler Müller


Wenn man das Treiben und Tun der Menschen seit Jahrtausenden erblickt, so lassen sich einige allgemeine Formeln erkennen, die je und immer eine Zauberkraft über ganze Nationen, wie über die einzelnen ausgeübt haben, ...

und der aufmerksame Forscher setzt sich aus solchen Formeln eine Art Alphabet des Weltgeistes zusammen ...


 

1824 zu Eckermann

Wenn einer fünfundsiebzig Jahre ist, kann es nicht fehlen, daß er mitunter an den Tod denke.

Mich läßt dieser Gedanke in völliger Ruhe, denn ich habe die feste Überzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur.

 

1831 zu Eckermann

Ich frage nicht, ob dieses höchste Wesen Verstand und Vernunft habe, sondern ich fühle, es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber.

Alle Geschöpfe sind davon durchdrungen, und der Mensch hat davon so viel, daß er Teile des Höchsten erkennen mag ...


 

Georg Wilhelm Friedrich Hegel ( 1770 bis 1831 )


 

In “Phänomenologie des Geistes”

...Die Reihe der Gestaltungen, welche das Bewußtsein...durchläuft, ist die Geschichte der Bildung des Bewußtseins...


...das Individuum erkennt ...sich...als vereinzelt in seiner eignen Individualität und in jedem seiner Mitbürger. In dem allgemeinen Geiste ...ist (jeder) der andern so gewiß als seiner selbst.

...der absolute Geist ...ist in der Vielheit des daseienden Bewußtseins realisiert...

 

...so ist die Persönlichkeit aus dem unmittelbaren Geiste ...hervorgegangen - der der allgemeine herrschende Willen Aller und ebenso ihr dienender Gehorsam ist.


...bildet sich ...die Organisation der geistigen Massen aus, denen die Menge der individuellen Bewußtsein zugeteilt wird.


Der Geist müßte diesen Kreislauf der Notwendigkeit von neuem durchlaufen und immer wiederholen...


Eh daher der Geist nicht als Weltgeist sich vollendet, kann er nicht als selbstbewußter Geist seine Vollendung erreichen.


Wenn also dieser Geist...wieder von vorn anfängt, so ist es zugleich auf einer höhern Stufe, daß er anfängt.


...macht eine Aufeinanderfolge aus, worin einer den andern ablöste, und jeder das Reich der Welt von dem Vorhergehenden übernahm.

Was wir geschichtlich sind, der Besitz, der uns, der jetzigen Welt abgehört, ist nicht unmittelbar entstanden und nur aus dem Boden der Gegenwart gewachsen, sondern dieser Besitz ist die Erbschaft und das Resultat der Arbeit und zwar der Arbeit aller vorhergehenden Generationen des Menschengeschlechts.

 

Arthur Schopenhauer ( 1788 bis 1860 )

In “ Aphorismen “

Wie jeder Mensch eine Physiognomie hat, nach der man ihn vorläufig beurteilt; so hat auch jedes Zeitalter eine, die nicht minder charakteristisch ist. Denn der jeweilige Zeitgeist gleicht einem scharfen Ostwinde, der durch alles hindurchbläst. Daher findet man seine Spur in allem Tun, Denken, Schreiben, in Musik und Malerei, im Florieren dieser oder jener Kunst: allem und jedem drückt er seinen Stempel auf; ...

Ich kann tun, was ich will: Aber ich vermag nicht, es zu wollen; weil die entgegenstehenden Motive viel zuviel Gewalt über mich haben, als daß ich es könnte.


In “ Über die Freiheit des menschlichen Willens “

... er sieht sehr wohl ein, daß hier objektiv ... eine ganz andere Handlung ... hätte geschehen können, wenn er ein Anderer gewesen wäre: hieran allein hat es gelegen. Ihm, weil er dieser und kein Anderer ist, weil er einen solchen und solchen Charakter hat, war freilich keine andere Handlung möglich .


... an dem, was wir tun, erkennen wir was wir sind.


In “ Über die Grundlage der Moral “


Ein Mensch, der ... ein guter Mensch genannt, ...weniger als die Übrigen einen Unterschied zwischen sich und Andern macht.


Die Lehre, daß alle Vielheit nur scheinbar sei, daß in allen Individuen dieser Welt ... doch nur Eines und dasselbe, in ihnen allen gegenwärtige und identische, wahrhaft seiende Wesen sich manifestiere, diese Lehre ist ... von jeher dagewesen.

 

Hingegen der, welcher in allen Andern ... sein eigenes Wesen, sich selbst erblickte, ... der verliert durch den Tod nur einen kleinen Teil seines Daseins ... und die Täuschung verschwindet, welche sein Bewußtsein von dem der Übrigen trennte.


 

Heinrich Heine ( 1797 bis 1856 )

In “ Geschichte der Religion und Philosophie “

... dieses geschieht nicht in dem einzelnen und durch den einzelnen Menschen, sondern in und durch die Gesamtheit der Menschen: so daß jeder Mensch nur einen Teil des Gottweltalls auffaßt und darstellt, alle Menschen zusammen aber das ganze Gottweltall in der Idee und in der Realität auffassen und darstellen werden. Jedes Volk vielleicht hat die Sendung, einen bestimmten Teil jenes Gottweltalls zu erkennen und kundzugeben, eine Reihe von Erscheinungen zu begreifen und eine Reihe von Ideen zur Erscheinung zu bringen, und das Resultat den nachfolgenden Völkern, denen eine ähnliche Sendung obliegt, zu überliefern.


 

Philipp Spitta ( 1801 bis 1859 )

In seinem Pfingstlied

Oh komm, du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein.

Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.

Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an,

daß jeglicher Getreuer den Herrn bekennen kann.



 

Karl Marx ( 1818 bis 1883 )

In “ Thesen über Feuerbach “


...das menschliche Wesen ist ...das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.

 

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, sie zu verändern.


 

In “ Die deutsche Ideologie “ (mit Engels)

Er sieht...wie die ihn umgebende sinnliche Welt...das Resultat der Tätigkeit einer ganzen Reihe von Generationen ist, deren jede auf den Schultern der vorhergehenden stand, ihre Industrie und ihren Verkehr weiter ausbildete, ihre soziale Ordnung nach den veränderten Bedürfnissen modifizierte.


Das Bewußtsein ist ...von vornherein schon ein gesellschaftliches Produkt und bleibt es, solange überhaupt Menschen existieren.


 

Friedrich Engels ( 1820 bis 1895 )

Im “ Anti-Dühring “

...müssen wir zuerst untersuchen, was das menschliche Denken ist. Ist es das Denken eines einzelnen Menschen?

Nein!

Aber es existiert nur als das Einzeldenken von vielen Milliarden vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Menschen.


 

Mit anderen Worten: die Souveränität des Denkens verwirklicht sich in einer Reihe höchst unsouverän denkender Menschen...


 

In “ Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie “


Alles was die Menschen in Bewegung setzt, muß durch ihren Kopf hindurch.


 

Albert Schweitzer ( 1875 bis 1965 )


In Straßburger Predigten 1919


Man kann nicht sagen, daß die Menschheit irgend einen Zweck in der Welt verwirklicht, sondern sie ist selber Zweck.


Was ich als das in uns drängende Ziel des Seins verstehe, ist, daß mein Leben zugleich mit dem aller Menschen auf seinen höchsten Wert gebracht werde.

Das ist der Weltgedanke, wie ich ihn in mir erlebe.


Die Entwicklung des Menschen und der Menschheit hat eine das Sein der ungeheuren Welt erfüllende und überragende Bedeutung, weil es sich um etwas Geistiges handelt.

In dem Menschen und in der Menschheit kommt Gott, der Weltgeist, wie es die Mystiker immer sagten, zum Bewußtsein seiner selbst, und zwar zu einem um so reineren Selbstbewußtsein, je mehr sich Mensch und Menschheit geistig und sittlich vollenden.


 

Wladimir Iljitsch Lenin ( 1870 bis 1924 )


In „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie“


Es gibt keine abstrakte Wahrheit, die Wahrheit ist immer konkret.



 

Rabindranath Tagore ( 1861 bis 1941 )

In „Das Heim und die Welt“


Was wahr ist, ist weder gut noch böse, sondern einfach wahr.


 

Carl Gustav Jung ( 1875 - 1961 )


In „Das Grundproblem der gegenwärtigen Psychologie“

So enthält auch das menschliche Unbewußte die ganze vererbte Lebens- und Funktionsform der Ahnenreihe, sodaß bei jedem Kinde eine angepaßte psychische Funktionsbereitschaft schon vor allem Bewußtsein vorhanden ist. ... Das Unbewußte nimmt war, hat Absichten und Ahnungen, fühlt und denkt ähnlich wie das Bewußtsein.


Könnte man das Unbewußte personifizieren, so wäre es ein kollektiver Mensch, jenseits der geschlechtlichen Besonderheit, jenseits von Jugend und Alter, von Geburt und Tod, und würde über die annähernd unsterbliche menschliche Erfahrung von ein bis zwei Millionen Jahren verfügen. Dieser Mensch wäre schlechthin erhaben über den Wechsel der Zeiten.


 

In „Einige Aspekte der modernen Psychotherapie“


Diese Tatsache impliziert, daß ein Mensch sich in einer bestimmten Situation wahrscheinlich ebenso verhalten wird, wie seine Vorfahren sich verhielten. Das Unbewußte wird also als eine allgemeine Prädisposition zu extremem Konservatismus aufgefaßt.


Es führt nirgendshin, wenn man glaubt, die vitale Basis des Menschen sei nur persönlicher Art. Zerreißt man den Schleier dieser ungesunden und falschen Vorstellung, so gelangt man aus der engen, dumpfen, persönlichen Athmosphäre in den weiten Bereich der kollektiven Psyche und in die gesunde, natürliche Matrix des menschlichen Geistes, d.h. in die Seele der Menschheit.


 

In „Gegenwart und Zukunft“


Die Struktur und Physiologie des Gehirns ermöglichen keine Erklärung des Bewußtseinsvorganges. Die Psyche besitzt eine Eigenart, die sich auf nichts anderes oder ähnliches reduzieren läßt.

... Damit kommt der Psyche die Würde eines kosmischen Prinzips zu, welches ihr – philosophisch und de facto – neben dem Prinzip des physischen Seins eine ebenbürtige Stellung anweist.


 

In „Über die Natur“


Es dauert lange, bis das Kind eine eigene Psychologie entwickelt, und alle Versuche, eine Psychologie des Kindes zu schaffen, werden ziemlich verhängnisvoll sein, wenn wir das Faktum übersehen, daß es sich dabei um eine Psychologie des Kollektiven handelt.


Der Mensch ist nämlich „im Besitz“ vieler Dinge, die er sich nie erworben, sondern die er von seinen Ahnen ererbt hat. Er wird ja nicht als tabula rasa, sondern bloß als unbewußt geboren. Er bringt aber spezifisch menschlich organisierte, funktionsbereite Systeme mit, welche er den Millionen Jahren menschlicher Entwicklung verdankt.


Und der bewußte Geist hat den ursprünglichen Geist nie gekannt, weil dieser bei der Entfaltung eines sehr differenzierten Bewußtseins, welches allein ihn erkennen könnte, abgestreift wurde.


Ebenso wie die Entwicklung des Embryos die Vorgeschichte wiederholt, so entwickelt sich auch der Geist durch eine Serie von prähistorischen Stufen.


Die Persönlichkeit entwickelt sich im Laufe des Lebens aus schwer oder gar undeutbaren Keimanlagen, und erst durch unsere Tat wird es offenbar, wer wir sind.


 

„Über den Menschen“


Der Mensch hat zweierlei Zwecke: der erste ist der Naturzweck, die Erzeugung von Nachkommenschaft und alle Geschäfte des Brutschutzes, wozu Gelderwerb und soziale Stellung gehören. Wenn dieser Zweck erschöpft ist, beginnt eine andere Phase: der Kulturzweck.


 

Wir haben als Kulturmenschen ein Alter von etwa fünftausend Jahren. Davor kommt eine prähistorische Zeitspanne von bedeutend größerer, aber unbestimmter Länge, während welcher man etwa den Kulturzustand der Sioux-Indianer erreichte; und dann kommen unbestimmt viele Hunderttausende von Jahren der bloßen Steinkultur bis zurück zu einer vermutlich noch unendlich viel längeren Zeit, welche den Schritt vom Tier zum Menschen bewerkstelligte.

 

... bringt der natürliche Individuationsprozeß eine Bewußtheit menschlicher Gemeinschaft hervor, weil er eben das alle Menschen verbindende und allen Menschen gemeinsame Unbewußte zur Bewußtheit führt. Die Individuation ist ein Einswerden mit sich selbst und zugleich mit der Menschheit, die man ja auch ist.


Wir können also nicht tun, was wir wollen, denken was uns gefällt, denn es könnte gegen jene Bewußtheit verstoßen, die eine Million Jahre alt ist; sie wird auf plötzliche Weise reagieren.


Ein Archetypus gehört der Struktur des kollektiven Unbewußten an, aber da wir das kollektive Unbewußte in uns tragen, gehört er auch zu unserer persönlichen Struktur.

 

... der historische, allgemeine Mensch in uns reicht dem eben gewordenen individuellen Menschen die Hand ...


 

Albert Einstein ( 1879 bis 1955 )

In „Wie ich die Welt sehe “


Jeden Tag denke ich unzählige Male daran, daß mein äußeres und inneres Leben auf der Arbeit der jetzigen und der schon verstorbenen Menschen beruht, daß ich mich anstrengen muß, um zu geben im gleichen Ausmaß, wie ich empfangen habe und noch empfange.


 

In “ Gemeinschaft und Persönlichkeit “

Was der einzelne ist und bedeutet, ist er nicht so sehr als Einzelgeschöpf, sondern als Glied einer großen menschlichen Gemeinschaft, die sein materielles und seelisches Dasein von der Geburt bis zum Tode leitet.


Es sieht auf den ersten Blick so aus, wie wenn die sozialen Eigenschaften eines Menschen allein für seine Beurteilung maßgebend wären. Und doch wäre eine solche Auffassung nicht richtig.


Einer hat einmal den Gebrauch des Feuers, einer den Anbau von Nährpflanzen, einer die Dampfmaschine erfunden. Nur das einzelne Individuum kann denken und dadurch für die Gesellschaft neue Werte schaffen, ja selbst neue moralische Normen aufstellen...


Eine gesunde Gesellschaft ist also ebenso an Selbständigkeit der Individuen geknüpft wie an deren innige soziale Verbundenheit.

Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.


 

In “ Lehrer und Schüler “

Liebe Kinder! ... Denkt daran, daß die wunderbaren Dinge, die ihr in euren Schulen kennenlernt, das Werk vieler Generationen sind, das in allen Ländern der Erde in begeistertem Streben und mit großer Mühe geschaffen worden ist. All dies wird als euer Erbe in eure Hände gelegt, damit ihr es empfanget, ehret, weiterbildet und treulich euren Kindern einst übermittelt. So sind wir Sterbliche in dem unsterblich, was wir an bleibenden Werken gemeinsam schaffen.


 

Pawel Florenski ( 1882 - 1937 )


In „Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit”

„Das Wahre, das Gute und das Schöne” - diese metaphysische Trias - sind nicht drei verschiedene Prinzipien, sondern eines. Es ist ein und dasselbe geistige Leben, jedoch von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet.

Das geistige Leben, das von dem Ich ausgeht und im Ich seinen Mittelpunkt hat, ist die Wahrheit.

Als unmittelbare Wirkung eines anderen wahrgenommen, ist es das Gute.

Von einem dritten gegenständlich angeschaut, als nach außen strahlend, ist es das Schöne.



In „Homo faber”

Folglich wird die Anwesenheit des Menschen an dem Vorhandensein von Werkzeugen abgelesen, und der Mensch selber wird an der Fähigkeit erkannt, sich Werkzeuge zu verfertigen.


Entfaltet sich die Vernunft nach außen als eine in ihrem Wachsen unbestimmte und immer komplexer werdende Gesamtheit von Werkzeugen, dann ist sie von innen her betrachtet die Gesamtheit der Entwürfe dieser Werkzeuge, Schemata und Bilder, welche dabei den Trieb zur Exteriorisierung, zur Verkörperung, zur Materialisierung in sich tragen.


Die Werkzeuge sind nichts anderes als materialisierte Termini, weshalb zwischen den Gesetzen des Denkens und den technischen Errungenschaften eine konstante Parallelität festzustellen ist.


 

In „Organprojektion”


Und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß diese Art Werkzeugbau durch irgend etwas eingeschränkt und nicht auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden sollte.


Infolge der Willkür beim Anschluß oder Nichtanschluß dieser oder jener Werkzeuge an den Körper, infolge ihrer größeren Unverbundenheit untereinander, als das bei den Körperorganen der Fall ist, weisen die Werkzeuge vielleicht eine geringere Koordinierung untereinander auf und damit eine größere Ausgeprägtheit hinsichtlich ihrer verschiedenenartigen Aufgaben.


In uns und im Leben allgemein entdecken wir eine noch nicht verwirklichte Technik; in der Technik noch nicht erforschte Seiten des Lebens.


 

In „Die Magie des Wortes”

Der Sinn eines Wortes wird durch das Semem des Wortes bestimmt ...

Jede Schicht des Semems ist als Ablagerung eines geistigen Prozesses auf dem Wort anzusehen, als eine Verdichtung des Geistes, ... der sich also im Prozeß der Semembildung in sich selbst sammelt.


... es liegt wie tot, solange das Wort nicht gebraucht wird, doch wenn es in den Strom der lebendigen Rede gerät, erwacht das Semem zu neuem Leben und füllt sich mit innerer Kraft und Bedeutung.


... wirkt das Wort mit verstärkter Macht auf das seelische Leben, zuerst dessen, der dieses Wort ausspricht und dann ... auf das Objekt, an das das ausgesprochene Wort gerichtet ist.


 

In „Bilanz”

Die Voraussetzung unserer Tätigkeit ... ist die Wirklichkeit.


Wenn die Wirklichkeit der Welt nicht mehr empfunden wird, dann zerfällt auch die Einheit des universalen Bewußtseins und folglich die Einheit der sich ihrer selbst bewußt werdenden Persönlichkeit.


Die nach uns kommen, werden ... ihr schicksalhaftes „nicht nötig” sprechen, und das gesamte komplizierte System der entseelten Zivilisation wird zusammenbrechen, wie seinerzeit das vielstöckige Gebäude der Astrologie zusammenbrach, wie die Scholastik zusammenbrach und wie die großen Imperien zusammenbrachen und zusammenbrechen, weil sie nicht mehr nötig sind.


So verläßt der Hausherr sein verfallenes Haus, dessen Instandsetzung alle seine Einkünfte verschlingt und den Bewohnern zwar viele, aber nur ungemütliche und so gut wie unbewohnbare Räume bietet. ... Die Zivilisation der Neuzeit ist ein solches Haus, das alle seine Kräfte verzehrt und den Menschen in seinen Dienst zwingt statt ihm das Leben zu erleichtern. ... So beschließt er am Ende, seine Sachen zu packen und auszuziehen, um weniger glanzvoll, aber dafür entsprechend den wirklichen Bedürfnissen seiner Familie zu leben.


Der Hauptstrom des Lebens wird an all dem, was eben noch als geheiligter Schatz der Zivilisation galt, vorbeifließen.


 

Bertolt Brecht ( 1898 - 1956 )

 

In „An die Nachgeborenen”


Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut, in der wir untergegangen sind

Gedenkt, wenn ihr von unseren Schwächen sprecht,

auch der finsteren Zeit, der ihr entronnen seid.

Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd,

durch die Kriege der Klassen,

verzweifelt, wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.

Dabei wissen wir doch: Auch der Haß gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge.

Auch der Zorn über das Unrecht macht die Stimme heiser.

Ach, wir , die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit,

konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird, daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist,

gedenkt unsrer mit Nachsicht.

 

In „Leben des Galilei"“

Disput zwischen gläubiger Unwissenheit und aufklärerischem Wissensdrang:

Der kleine Mönch:

 ... kann ich nun meine Eltern vor mir sehen ... Es geht ihnen nicht gut, aber selbst in ihrem Unglück liegt eine gewisse Ordnung verborgen. ... Sie schöpfen ihre Kraft, ihre Körbe schweißtriefend den steinigen Pfad hinaufzuschleppen, Kinder zu gebären, ja, zu essen aus dem Gefühl der Stetigkeit und Notwendigkeit, das der Anblick des Bodens, der jedes Jahr von neuem grünenden Bäume, der kleinen Kirche und das Anhören der sonntäglichen Bibeltexte ihnen verleihen können. Es ist ihnen versichert worden, daß das Auge der Gottheit auf ihnen liegt, forschend, ja beinahe angstvoll; daß das ganze Welttheater um sie aufgebaut ist, damit sie, die Agierenden, in ihren großen und kleinen Rollen sich bewähren können.

Was würden meine Leute sagen, wenn sie von mir erführen, daß sie sich auf einem kleinen Steinklumpen befinden, der sich unaufhörlich drehend im leeren Raum um ein anderes Gestirn bewegt, einer unter sehr vielen, ein ziemlich unbedeutender! Wozu ist jetzt noch solche Geduld, solches Einverständnis in ihr Elend nötig und gut? Wozu ist die Heilige Schrift noch gut, die alles erklärt und als notwendig begründet hat, den Schweiß, die Geduld, den Hunger, die Unterwerfung, und die jetzt voll von Irrtümern befunden wird? ... Nein, ich sehe ihre Blicke scheu werden, ich sehe sie die Löffel auf die Herdplatte senken, ich sehe, wie sie sich verraten und betrogen fühlen. Es liegt also kein Auge auf uns, sagen sie. Wir müssen nach uns selber sehen, ungelehrt, alt und verbraucht, wie wir sind? ...

Galilei:

... Warum ist denn nichts da? Warum ist die Ordnung in diesem Lande nur die Ordnung einer leeren Lade und die Notwendigkeit nur die, sich zu Tode zu arbeiten? Zwischen strotzenden Weinbergen, am Rande der Weizenfelder? Ihre Campagnabauern bezahlen die Kriege, die der Stellvertreter des milden Jesus in Spanien und Deutschland führt. Warum stellt er die Erde in den Mittelpunkt des Universums? Damit der Stuhl Petri im Mittelpunkt der Erde stehen kann! Um das letztere handelt es sich. Sie haben recht, es handelt sich nicht um die Planeten, sondern um die Campagnabauern. ... Wären Ihre Leute wohlhabend und glücklich, könnten sie die Tugenden der Wohlhabenheit und des Glücks entwickeln. Jetzt stammen diese Tugenden Erschöpfter von erschöpften Äckern, und ich lehne sie ab. Herr, meine neuen Wasserpumpen können da mehr Wunder tun als ihre lächerliche übermenschliche Plackerei. - "Seid fruchtbar und mehret euch", denn die Äcker sind unfruchtbar, und die Kriege dezimieren euch. Soll ich Ihre Leute anlügen? ... 

Es setzt sich nur soviel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. ...

...  Nur belehrt von der Wirklichkeit, können wir die Wirklichkeit ändern.

 

Karl Popper ( 1902 bis 1994 )

In „Erkenntnistheorie und Frieden“

Wenn die Blumen kommen, so erwarten sie ... Frühlingswetter. Sie haben die Hypothese, die Theorie eingebaut, daß es wärmer wird. Oft genug ist die Theorie falsch und die Blüten erfrieren. In diesem Sinne gibt es unendlich viel angeborenes Wissen in Pflanzen und Tieren. Ein Kind erwartet nach seiner Geburt, gehegt und gestillt zu werden; und kurz nachher erwartet es, angelächelt zu werden. Es erwartet diese Dinge nicht nur, es braucht sie. Angeborene Bedürfnisse sind angeborene Theorien.

Alle Organismen sind dauernd höchst aktiv. Sie erforschen aktiv ihre Umwelt, sie suchen nach besseren Lebensbedingungen, nach einer besseren Welt. Und sie selbst verbessern aktiv ihre Lebensbedingungen.

Das Leben verbessert die Umwelt für das Leben. Es hat das seit Millionen Jahren getan und wir sind die glücklichen Erben.

Sowohl das angeborene Wissen der Tiere und Menschen wie auch das durch aktives Lernen erworbene Wissen besteht aus Erwartungen. Unerfüllte Erwartungen werden als Schwierigkeiten, als Probleme erlebt, die zu Versuchen führen, also wieder zum aktiven Lernen - zum Forschen.

In „Die evolutionäre Erkenntnistheorie“

Wir lernen nur durch Versuch und Irrtum. Unsere Versuche sind aber immer unsere Hypothesen. Sie stammen von uns, nicht von der Außenwelt. Von der Außenwelt lernen wir nur, daß gewisse unserer Versuche Irrtümer sind.

 


Heinrich Böll ( 1917 bis 1985 )

Wir kommen weit her und müssen noch weit gehen.

Hab keine Angst, alle sind bei Dir : Deine Mutter, Dein Vater und alle, die vor ihnen waren.

 


Jürgen Habermas ( 1929 bis )


In „Klarstellungen: Wissenschaft und Lebenspraxis“

Ich will den Sinn für die Isolierbarkeit von Wahrheitsfragen, ... lebendig erhalten in einer Situation, die objektiv dazu zwingt, daß man Wahrheitsfragen nicht vermischt mit Gerechtigkeits- und Geschmacksfragen.

Ich eigne mir andere Theorien an; warum nicht - man soll andere bei ihren Stärken nehmen und dann sehen, wie man damit weiter umgehen kann. Eines soll das andere stützen, denn theoretische Wahrheiten gibt es tatsächlich nur noch in der Form von Plausibilitäten. Ich habe ... den emphatischen philosophischen Wahrheitsanspruch verabschiedet.

Am empirischen Material muß sich zeigen lassen, daß man Vernunft in die Wissenschaft bringen kann.


 

Ken Wilber ( 1947 bis )

In „The Eye of Spirit“ (Deutsch unter „Das Wahre, Schöne, Gute“)


Nur in einem menschlichen Körper kann Erkenntnis erlangt werden. Dies ist weder Göttern noch Tieren noch Dämonen noch Engeln möglich ...Und dieser menschliche Körper ist unter anderem ein Ergebnis der Evolution.


Weil der Geist in diese und als diese Welt involviert ist, evolviert er mit dem und als Geist bis zu dem Punkt, an dem der Geist überbewußt sein eigenes ursprüngliches Antlitz erkennt.



In einer vereinfachten Form gelangt man zu dieser Erkenntnis wie folgt:

Ich bin mir meines Körpers bewußt, und deshalb kann ich nicht bloß mein Körper sein.

Ich bin mir meines Geistes bewußt, und deshalb kann ich nicht bloß mein Geist sein.

Ich bin mir meines Ich bewußt, und deshalb bin ich nicht bloß dieses Ich.

Irgendwie scheine ich Zeuge meines Körpers, meines Geistes, meines Ich zu sein.

 

Ich kann meine Gedanken sehen, also bin ich nicht diese Gedanken.

Ich bin mir meiner Körperempfindungen bewußt, also bin ich nicht diese Empfindungen.

Ich bin mir meiner Gefühle bewußt, also bin ich nicht nur diese Gefühle.

Irgendwie bin ich Zeuge von alldem!


Dieses schlichte Zeugen-Gewahrsein ist den Traditionen zufolge der Geist selbst. ...

Dinge, die man sieht, kommen und gehen, sind erfreulich oder betrüblich, angenehm oder schmerzhaft, aber der Seher ist nichts von alledem, und er kommt und geht nicht. Der Zeuge wankt nicht, schwankt nicht, tritt nicht in diesen Strom der Zeit ein. Der Zeuge ist kein Objekt, kein Ding, das man sehen kann, sondern der allgegenwärtige Seher aller Dinge, das Ich des Geistes ...

Anblicke ziehen in der Natur vorbei, Gedanken ziehen im Geist vorbei, Gefühle ziehen im Körper vorbei, und ich bin nichts davon. Ich bin kein Objekt. Ich bin der reine Zeuge aller dieser Objekte. Ich bin Bewußtsein als solches.

Und wenn sich die Vergangenheit wirklich ereignete, dann ereignete sie sich eben jetzt. Wenn sich die Zukunft wirklich ereignet, dann wird sie sich eben jetzt ereignen. Es gibt nur das „eben jetzt“, es gibt nur diese allgegenwärtige Gegenwart: Die ist alles, was ich je unmittelbar erkennen kann. Deswegen ist die zeitlose Gegenwart nicht schwierig zu erreichen, sondern unmöglich zu vermeiden ...


Und in welcher Form du auch immer wiederauferstehst, du wirst nicht von der Großen Suche, sondern von deiner Großen Pflicht gedrängt auferstehen, von deinem grenzenlosen Dharma, der Manifestation deiner eigenen höchsten Potentiale, und die Welt wird sich ändern , weil du sie änderst.


Redewendung im Deutschen

"Das zeigt, wess Geistes Kind du bist."

Meine Schlußbemerkung

"Das Wahre" ist eine geistige Dimension (neben den beiden anderen "Das Gute" und "Das Schöne") der Erkenntnisgewinnung in der Geschichte der Menschheitsentwicklung. 

Die verschiedenen Religionen sind dafür eine Ausdrucksform. Weil sie ihre Gläubigen jeweils auf  sehr bestimmte Aussagen zum Wesen Gottes festlegen, trennen die Religionen die Menschen und verursachen Abgrenzung. Gläubige können nicht anders, sie müssen ihren Glauben für den allein wahren halten. Ein Dialog zwischen den Kulturen hat darum nur eine Chance, wenn das Wesen Gottes außerhalb diese Dialoges bleibt. 

Dann ist ein wirklicher positiver Dialog möglich, in den dann auch gern die vielen in humanistischer, aufklärerischer, atheistischer Tradition Denkenden eintreten. Die Humanisten/Atheisten halten dafür, daß die individuelle Psyche (die Seele) nur in einem lebendigen Körper existieren kann, das vorgefundene kulturelle Erbe aufnimmt, sich durch Tätigsein vervollkommnet und die Erkenntnis der Menschheit dadurch ein klein wenig weiterbringt. Darin stimmen sie mit vielen Geistesgrößen aus mehreren Jahrtausenden überein (wie die aufgeführten Quellen zeigen).